Die historischen Benin-Bronzen stammen nicht aus dem Land Benin; sie kommen aus dem Königreich Benin, das heute im südlichen Nigeria liegt
Nach einem Raubzug britischer Kolonialtruppen 1897 wurden tausende Benin-Kunstwerke über die ganze Welt verstreut
Man findet sie in westlichen Museen, in Galerien, bei Sammlern. Auch Picasso hatte eine und die Rothschilds und die Rockefellers
Nur an einem Ort gab es über einhundert Jahre lang kaum noch Originale: in Edo State (in dem Benin City liegt), wo sie hergestellt wurden. Das soll sich jetzt ändern
Objektdaten
Ereignis:
Herstellung: 16./17. Jahrhundert
Eingang Museum:
Ankauf von Friedrich Erdmann, 1898
Restitution (Eigentumsübertragung): Dezember 2022
Herkunft:
Edo (Benin City), Königreich Benin, Nigeria
Material:
Lateriterde, Kupferlegierung (Prozess: Gelbguss)
Hersteller:in:
Unbekannte Werkstatt der Bronzegießergilde Igun Eronmwon
Grösse:
B 37 cm, T 12 cm, H 50 cm, Gewicht 24.5 kg
Inventarnummer:
C 2301, Leihgabe der National Commission for Museums and Monuments Nigeria
Inventarnummern wurden damals einfach mit Lack auf das Objekt aufgetragen, rot war die „Signaturfarbe“ des Hamburger Völkerkundemuseums. Heute verwendet man reversible Methoden.
In Bronze gießen heißt erinnern
Die beiden Leopardenjäger auf dem Relief halten Bogen und Pfeilbündel in den Händen, an den linken Handgelenken ist ein beutelartiger Sehnenschutz erkennbar. Leopardenjäger waren in Benin City (Edo) in einer eigenen Gilde zusammengeschlossen. Sie hatten die Aufgabe, lebende Leoparden zu fangen, die gezähmt am Königshof des Oba gehalten wurden. Der Oba besaß als einziger das Privileg, das Raubtier beim alljährlichen Igue-Fest den Ahnen zu opfern. Als königliches Symboltier stand der Leopard für Macht und Kraft.
Oft sind auch Heerführer auf Benin-Reliefplatten an einem Halsschmuck aus Leopardenkrallen erkennbar oder sie tragen einen Brustpanzer mit Leopardenmotiv. Das Abbild sollte sie beschützen und war zugleich ein Zeichen der Macht über Leben und Tod, die der Oba an diese Krieger delegiert hatte. Viele Benin-Kunstwerke stellen Bezüge zur besonderen Fähigkeit der Oba-Könige her, mystische Kräfte zu kontrollieren.
Die historischen Bronzen sind aber nicht nur Kunstwerke, sondern auch Seiten in einem über Jahrhunderte fortgeschriebenen Geschichtsbuch. Wichtige Ereignisse wurden auf diese Weise aufgezeichnet und für zukünftige Generationen festgehalten.
Auf Edo, damals Amtssprache im Königreich Benin, heisst „erinnern“: sa-e-y-ama. Wörtlich bedeutet das ein Motiv in Bronze gießen. Mit dem brutalen Überfall von 1897 wurden deshalb nicht nur tausende Menschenleben, sondern auch das Gedächtnis der Edo ausgelöscht.
Um das Gedenken und die Folgen des Kolonialismus geht es auch in dem Werk des nigerianischen Multimedia-Künstlers Victor Ehikhamenor. Er will mit seiner Kunst die reiche Kultur Benins weiterführen.
Bei der Verteilung der Beutekunst spielte die damalige Kolonialmetropole Hamburg eine besondere Rolle. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts unterhielten Hamburger Handelshäuser Niederlassungen an der damals "Beninbucht" genannten Küste des heutigen Nigeria. Nach der Zerschlagung des Königreichs gelangten Benin-Werke vor Ort auf den Markt.
Handelsagenten wurden zu Mittelsleuten und brachten die Stücke über den Hamburger Hafen in Umlauf und in Museumsbesitz. Im Museum für Völkerkunde, dem Vorläufer des MARKK, nutzten der Direktor Georg Thilenius und der zuständige Kurator Karl Hagen ihre Netzwerke in der Hafenstadt, um eine Sammlung hier am Haus aufzubauen. Auch Friedrich Erdmann (1866 – vermutlich 1907) war eine Schlüsselfigur im florierenden Benin-Business. Der Hamburger Kaufmann arbeitete als Geschäftsführer für die Handelskompanie Bey & Zimmer in Lagos. Es ist bekannt, dass Erdmann Benin City nach der Eroberung durch die britischen Truppen besuchte, das Gebiet fotografierte und Kunstwerke mitnahm, um sie mit Genehmigung des britischen Militärs zu vermarkten. 1898 verkaufte er 13 Objekte an das Museum, darunter das Relief mit den zwei Leopardenjägern.
Nach über einhundert Jahren, nach zahlreichen Restitutionsforderungen und endlosen Verhandlungen wurde das Eigentum an den 179 Benin-Objekten, die sich in Hamburg befinden, im Dezember an die Republik Nigeria übertragen. Zunächst konnten drei Objekte in einer feierlichen Zeremonie übergeben werden. Einige Benin-Kunstwerke bleiben weiterhin als Leihgaben in Hamburg, andere reisen in den kommenden Jahren ebenfalls an ihren Herkunftsort zurück.
Seit November 2022 gibt eine Website erstmals einen Überblick über die weltweit verstreuten Benin-Artefakte: digitalbenin.org zeigt Daten zu 5246 Objekten aus 131 Institutionen in zwanzig Ländern. Die Reliefplatte mit den zwei Leopardenjägern ist dort natürlich auch zu finden - einfach HIER klicken und mehr darüber erfahren, unter anderem den Edo-Namen des Werks und wie man ihn ausspricht.
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