Der Stab von King Akwa


Im 19. Jahrhundert sind solche kunstvoll geschnitzten Stäbe in Douala ein sichtbares Zeichen der Macht

In der blühenden Handelsmetropole erkennen die einflussreichen Männer einander an diesen Hoheitszeichen


Vermutlich wurden sie auch bei der Versammlung getragen, auf der beschlossen wurde gemeinsam und friedlich gegen die Gewalt der deutschen Kolonialherren zu protestieren

Ihren Widerstand bezahlen viele Kameruner:innen mit dem Tod. Bis heute sind ihre Geschichten in Deutschland kaum bekannt

Objektdaten
Ereignis:

Herstellung: vor 1887
Ehemals: Sammlung Weber-Woermann (ab 1887)
Eingang Museum: Ankauf von Julius Konietzko 1933

Herkunft:

Douala, Kamerun

Material:

Holz

Hersteller:in:

nicht dokumentiert

Grösse:

114 x 4 x 4,5 cm

Inventarnummer:

33.235.5

Die Schnitzarbeiten zeigen Nutztiere und Alltagsszenen. Die Figur trägt ein Herrschaftssymbol in der Hand, den Fliegenwedel.
Zeichen der Macht

Diese Geschichte beginnt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Kamerun. Die Handelsfamilien Bell und Akwa hatten damals in der Region um die Hafenstadt Douala den größten Einfluss. Hamburger Handelshäuser wollten hier Fuß fassen, um Produkte wie Palmöl, Elfenbein und Kautschuk nach Europa zu bringen. 


King Akwa hieß eigentlich Dika Mpondo, der Name seines Rivalen King Bell war Ndumb´a Lobe. Sie konkurrierten um die Beherrschung des Handels mit den Europäer:innen. In Douala war der Alltag von Wasser geprägt. Im Hafen und auf den Flüssen wurden Personen und Waren auf wendigen Einbaumbooten transportiert, an Feiertagen lieferte man sich Rennen mit prächtig verzierten Langbooten. 

Ein tange, mit dem der Bug von Rennbooten geschmückt wurde


1884 schlossen die Königs- und Handelshäuser in Douala einen Vertrag mit den Deutschen, der als Beginn der Kolonialzeit in Kamerun gilt. Doch bald mussten sie feststellen, dass die Kolonialherren immer wieder die Abmachungen dieses Vertrags brachen. 




Die Herrscherfamilien aus Douala fühlten sich gut gewappnet, mit den Deutschen zu verhandeln. 



Denn ihre Vertreter:innen reisten mehrfach persönlich nach Hamburg oder Berlin und schickten auch ihre Kinder zur Ausbildung nach Deutschland. King Bells Sohn Rudolf Duala Manga Bell zum Beispiel verbrachte mehrere Jahre in Süddeutschland und sprach fließend Deutsch. Nach seiner Rückkehr machten sich seine Landsleute angeblich über ihn lustig, weil er mit Akzent sprach und sich wie ein Europäer kleidete: Zylinder, Stresemann-Anzug, Spazierstock. 

Auf dem nächsten Foto sind Rudolf Duala Manga Bell (rechts) und Tube Meetom (links) zusammen mit der Lehrerfamilie Oesterle zu sehen, bei der sie wohnten:
Aalen, Süddeutschland, 1892
Die Lage in Douala drohte zu eskalieren, als die deutschen Kolonialherren nicht nur vertragswidrig den Handel ausweiteten, sondern die Stadt in einen weißen und einen Schwarzen Stadtteil aufspalten wollten. Dazu planten sie Enteignungen, unterstützt von der sogenannten Tropenmedizin und Hygieneforschung, die ihnen rassistische Argumente lieferten. Wie gewohnt griffen die Kameruner:innen zunächst zu politischen Mitteln und brachten Petitionen gegen diese Pläne im Berliner Reichstag ein. 

Die Familien Bell, Akwa und andere veranstalteten ein großes Treffen (bei dem King Akwa sicher diesen Stab trug). Sie beschlossen, ihre internen Streitigkeiten beizulegen, um gemeinsam Widerstand zu leisten. Womit sie nicht rechneten, war, dass die deutschen Kolonialherren weiter intrigieren und auch vor blanken Lügen nicht zurückschrecken würden. Unter einem Vorwand klagte man Rudolf Duala Manga Bell wegen Hochverrats an. Er und viele andere im Widerstand aktiven Menschen wurden ohne Gerichtsverhandlung zum Tode verurteilt und am 8. August 1914 hingerichtet.

Hervé Youmbi, Tétékombo ô muléma (In unseren Herzen die Väter der Nation), 2020


Bis heute wird Rudolf Duala Manga Bells Todestag in Kamerun feierlich begangen. Künstler:innen wie Hervé Youmbi widmen ihm Werke und erzählen seine Geschichte. In Deutschland wissen nur wenige, wer er war, und eine offizielle Entschuldigung für das Unrecht in der deutschen Kolonialzeit von 1884 bis 1914 hat es nie gegeben. Das MARKK zeigt in der Ausstellung "Hey Hamburg, kennst du Duala Manga Bell?" (2021-23) Aspekte seiner Geschichte, des Widerstands und der Folgen der kolonialen Gewalt bis in die Gegenwart. Danach soll die Ausstellung in Douala gezeigt werden. 

  • Zeichnung Karte: Karo Akpokiere
  • Skulptur "Tétékombo ô Muléma": Hervé Youmbi
  • Foto RDMB bei Familie Oesterle, Aalen: Roeger, Platino
  • Film Spotlight: Nebou N´Diaye
  • Zeichnung Reichstag: Karo Akpokiere
  • Literatur: 
Suy Lan Hopmann und Fiona Siegenthaler (Hrsg.): Katalog "Hey, kennst Du Rudolf Duala Manga Bell?" MARKK Hamburg, 2021
Christian Bommarius: Der gute Deutsche. Die Ermordung Manga Bells in Kamerun 1914. Berlin, Berenberg, 2020
Robbie Aitken und Eve Rosenhaft: Black Germany. The Making and Unmaking of a Diaspora Community, 1884-1960, Cambridge, Cambridge University Press, 2013
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